Bevor eine leergeräumte Gewerbeeinheit umgebaut wurde, stellte der Auftraggeber eine einfache Frage:„Ist das überhaupt dicht?“
Unsere Antwort kam schneller als gedacht – schon ohne Messgerät: Es war so undicht, man hätte auch mit dem Feuerzeug Leckagen finden können.
Trotzdem kam natürlich die Technik zum Einsatz. Jan Bernhardt vom bionic3-Team (TÜV-zertifizierter Messdienstleister und Zimmerermeister) war mit Minneapolis BlowerDoor-Equipment, Anemometer und Thermografiekamera vor Ort.
Die Leckagen hat er zur Leckagedokumentation abfotografiert. Für uns hat er auch noch Videosequenzen gedreht. Denn: solche Fälle sind kein Einzelfall. Deshalb wollen wir mit diesem Artikel und Video aufklären – sachlich, praxisnah und ohne Schönreden.
Das bionic3-Team ist fast täglich auf Baustellen unterwegs: in Neubauten, sanierten Bestandsgebäuden oder im Einsatz für Sachverständige. Wir messen nicht nur – wir sehen, was wirklich gebaut wurde.
Anlass für Leckagesuche: Ist Hülle noch dicht?
Ein Gewerbe-Unit wurde geräumt – ein neuer Mieter steht vor dem Einzug. Kein Sanierungsfall, sondern ein klassischer Umbau. Der Eigentümer wollte wissen, ob die Hülle noch hält. Vielleicht haben auch die Verbrauchswerte den Eigentümer stutzig gemacht. Je undichter die Gebäudehülle, desto mehr Heizkosten im Winter und Klimaanlagenverbrauch im Sommer.
Die Löcher im Überblick – kein Verschleiss, sondern falsch verarbeitet beim Neubau
- Offenes, unverputztes Mauerwerk – keine luftdichte Schicht, keine Abdichtung
- Nicht angeschlossene Dampfbremsfolien – Folien endeten frei, ohne Anbindung an Bauteile
- Ein offenes Loch in der luftdichten Ebene – kein Bauteilübergang, keine Dampfbremse
- Durchdringungen ohne Abdichtung – z. B. Leitungen, Rohre, Befestigungen
- Überströmungen in angrenzende Nutzungseinheiten – unkontrollierte Luftbewegung durch Fugen und Hohlräume
- Undichte Deckenanschlüsse – besonders in Bereichen über abgehängten Decken oder hinter Verkleidungen
- Mehrere Leckagen in großer Höhe – akustisch und thermografisch nachgewiesen, aber baulich schwer erreichbar
Konsequenzen durch ungeplante Leckage – also unkontrollierte Luftundichtheiten
Oft heisst es: Zu dicht ist auch nicht gut. Gleichfalls ist es riskant, einfach irgendwie ein paar Löcher drin haben, denn das kann zu Bauschäden führen.
Unkontrollierte Luftundichtheiten führen zu mehr als nur Energieverlust. Sie beeinträchtigen Komfort, Bausubstanz und Betriebskosten – vor allem dann, wenn sie unentdeckt bleiben. Mögliche Konsequenzen bei diesem Gebäude:
- Erhöhter Heiz- und Kühlbedarf – weil Luft ungewollt entweicht oder eindringt
- Schlechtere Luftqualität – durch unkontrollierten Zustrom von Außenluft, Staub oder Gerüchen. In diesem Fall auch zu den Nachbar-Units, also zu den anderen Stores.
- Zudem Geräuschübertragung und Geruchsbelästigung durch Überströmung in angrenzende Einheiten
- Feuchteeintrag in die Konstruktion – mit möglicher Schimmelbildung oder Bauschäden
Der Skandal – oder die traurige Normalität?
Wenn ich solche Bilder sehe oder bei Leckagesuchen in diesem Ausmaß dabei bin, denke ich meist: „Das ist ein Skandal.“ Meine Kollegen zucken dann mit den Schultern und sagen: „Sehen wir mindestens einmal in der Woche und wenn wir Gutachter unterstützen ist das normal.“ Ich bin seit 2011 in der Baubranche und beschäftige mich mit Luftdichtheit. Anfangs habe ich nur Baustellen besucht, bei denen die luftdichte Ebene perfekt verarbeitet war. Daher war das für mich normal. Zudem gibt es ja genügend Regelwerke und Anforderungen an dich Luftdichtheit, dachte ich.
Dann habe ich angefangen, mich mit Qualitätsüberprüfung auf der Baustelle zu beschäftigen. Das Resultat: Luftdichtheit ist zwar „bekannt“ -aber ist wie Zahnseide. Man nutzt sie, weil man soll. Und manchmal lässt man es eben weg.
In handwerklichen Ausbildungen, beispielsweise zu Zimmermann bzw. Zimmerfrau ist Luftdichtheit ein fester Bestandteil. Auch Elektriker achten immer mehr auf die nachträgliche Abdichtung ihrer Kabel.
Dieses Gebäude, bei dem mein Kollege Fotos und Videosequenzen gedreht hat, stammt aus dem Jahr 2003. Zu diesem Zeitpunkt war Luftdichtheit gesetzlich vorgeschrieben – fest verankert in der Energieeinsparverordnung EnEV (Inzwischen gilt das Gebäudeenergiegesetz GEG). Dennoch wurden hier grundlegende Anforderungen nicht umgesetzt. Die Folge: massive Luftundichtigkeiten.
Wer ist verantwortlich für die Luftdichtheit oder: wer hat es hier verbockt?
Kurz gesagt: alle. Die Luftdichtheit ist kein Einzelgewerk, sondern eine bauphysikalische Anforderung, die alle Beteiligten betrifft.
- Die Planung muss die luftdichte Ebene festlegen – durchgängig, logisch, umsetzbar.
- Die Bauleitung muss darauf achten, dass Gewerke abgestimmt arbeiten und Anschlüsse fachgerecht ausgeführt sind.
- Die ausführenden Handwerker:innen müssen die Details umsetzen – sauber, dauerhaft, gewerkeübergreifend.
Was oft schiefgeht: Eine Dampfbremsfolie wird korrekt montiert und dann nachträglich durchbohrt, z. B. durch den Elektriker, der später Leitungen legt. Das passiert nicht aus bösem Willen, sondern weil die Zusammenarbeit fehlt – oder weil es niemand kommuniziert hat. Dabei gibt es längst gute Lösungen: Anschlussmanschetten, Leitungsdurchführungen, luftdichte Hohlwanddosen – wir haben viele davon bereits in unserem Podcast vorgestellt.
So hätten diese Leckagen verhindert werden können
Die Ursache war nicht Verschleiß – sondern fehlende Planung, mangelnde Abstimmung und fehlende Kontrolle. Das hätte geholfen:
- Ein luftdichtheitsgerechtes Planungskonzept: Jemand hätte festlegen müssen, wo genau die luftdichte Ebene verläuft – und was bei Anschlüssen, Durchdringungen und Übergängen zu beachten ist.
- Grundverständnis in der Ausführung: Eine Folie allein reicht nicht. Sie muss angeschlossen werden – luftdicht, dauerhaft und gewerkeübergreifend. Sonst liegen die Bahnen zwar irgendwo im Bauteil, aber die Luft findet ihren Weg trotzdem.
- Bauüberwachung mit Blick für Details: Ein Bauleiter oder Energieberater hätte die offenen Anschlüsse und groben Ausführungsfehler erkennen und korrigieren lassen können.
- Eine baubegleitende Leckagesuche: Wäre diese vor dem Verschließen der Bauteile beauftragt worden, hätten sich die Fehler rechtzeitig aufdecken und beseitigen lassen – ohne Folgekosten.
Die nächsten Schritte
Die Messung hat Klarheit gebracht. Der Auftraggeber weiß jetzt, wo nachgebessert werden muss – und kann sein Handwerkerteam gezielt einweisen, statt auf Verdacht zu dämmen oder abzuwarten.Die bittere Erkenntnis: Auch „moderne“ Gebäude sind nicht automatisch luftdicht. Aber wer prüft, bevor er umbaut, spart hinterher Geld, Ärger – und Energie.
Sie wollen wissen, wie es um die Luftdichtheit Ihrer Immobilie oder bei Ihrem Bauprojekt steht? Dann schreiben Sie uns: hallo@bionic3.de
Klarbild und Aufnahme mit Thermografiekamera














Deutlich sichtbar: warme Luft strömt über die undichte Stelle ein.
Die Thermografiekamera macht sichtbar, was mit bloßem Auge verborgen bleibt – vor allem in Kombination mit Unterdruck und Anemometer. Bildquelle: bionic3.de
Wie stark zieht es? Messungen mit dem Anemometer





Messung mit dem Anemometer: Wie stark ist die Luftströmung an dieser Stelle?
Mit Hilfe des Unterdrucks und gezielter Positionierung lassen sich Leckagen nicht nur orten, sondern auch quantifizieren. Bildquelle: bionic3.de